Verantwortung und Vergeltung, oder warum wir Algorithmen misstrauen

Dr. Uhl stellte DoktorandInnen des Kollegs empirische Studien vor, die ethisch relevante Intuitionen zum Thema Digitalisierung aufdecken.

Dr. Matthias Uhl, Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe „Ethik der Digitalisierung“ der TU München, gab im Zuge eines Jour Fixe des Doktorandenkollegs „Ethik und gute Unternehmensführung“ einen Einblick in seine Arbeit. Im Mittelpunkt seiner Forschung stehen die Einstellungen der Menschen und deren moralisches Verhalten im Bereich des Digitalen. Dazu gab Dr. Uhl verschiedene Beispiele: So zeigen etwa verschiedene Umfragen, dass in Deutschland eine Mehrheit der Befragten Unbehagen gegenüber Entscheidungen empfindet, die alleine von Algorithmen getroffen wurden. Mit experimentellen Ansätzen untersucht die Nachwuchsforschergruppe, welche Gründe dahinterstehen. So zeigt eine Studie, dass Menschen zwar nicht grundsätzlich glauben, dass Algorithmen schlechtere Entscheidungen treffen oder ihnen an sich misstrauen. Vielmehr ist die Hypothese, dass Menschen Algorithmen deshalb ablehnen, weil Verantwortung an diese abgegeben wird, wodurch eine „Vergeltung“ für Fehler bzw. ein „zur Rechenschaft ziehen“ erschwert wird. In der Diskussion mit den DoktorandInnen wurden weitere Gründe für eine Kritik an Algorithmen angesprochen. So kam etwa die Frage auf, ob nicht der zwischenmenschliche Kontakt an sich moralisch wertvoll ist oder ob wir uns vor einer „romantischen Verklärung des Zwischenmenschlichen“ hüten sollten. Auch wurde thematisiert, ob man an die Entscheidungen von Algorithmen die gleichen oder striktere moralischen Bewertungskriterien anlegen sollte, als an die Entscheidungen von Menschen. Ist beispielsweise mehr Transparenz wirklich moralisch so wünschenswert? Brauchen wir vielleicht eine vollkommen neue Ethik der Digitalisierung? Oder sind die ethischen Probleme altbekannt, nur die Anwendungsfelder sind neue? Dr. Uhl betonte während seines Vortrags und der anschließenden Diskussion, dass das es wichtig ist, dass eine Ethik der Digitalisierung keine reine „Lehnstuhl“-Ethik, sondern empirisch gut informiert sein sollte. Anderenfalls würde sie auf potentiell unzulässigen Annahmen über unsere Moralintuitionen aufbauen.