WZGE-Studie zur Wahrnehmung von Wirtschaft in der Corona-Krise

Wie nehmen Bürger*innen die Marktwirtschaft in der Corona-Krise wahr? Welche Erwartungen haben sie an Unternehmen?

Das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik e.V. (WZGE) hat zusammen mit Prof. Philipp Schreck von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegeben

Auch in der Krise überwiegende Zustimmung zur Sozialen Marktwirtschaft

Die Soziale Marktwirtschaft erfährt auch in Pandemie-Zeiten grundsätzliche Zustimmung: Nur eine Minderheit der Befragten (19%) fordert einen radikalen Systemwechsel, während die Mehrheit entweder der Meinung ist, das System habe sich in der Krise bewährt (41%), oder es bedürfe Änderungen innerhalb des bestehenden Systems (36%). Mit Blick auf den weiteren Umgang mit der Krise sehen sich Unternehmen allerdings konfligierenden Erwartungen gegenüber.

Unternehmen sollen Arbeitsplätze erhalten –
und müssen Klimaschutz schneller vorantreiben

Auf die Frage nach den drei wichtigsten Themen für Unternehmen in der Krise nennt eine große Mehrheit (72%) „Arbeitsplätze sichern“. Mit deutlichem Abstand folgen „wirtschaftlichen Erfolg sichern“ (37%) und „Digitalisierung vorantreiben“ (ebenfalls 37%). Das Thema „Klimaschutzziele erreichen“ schafft es nur bei 26% der Befragten in die Top 3. Diese Priorisierung erweist sich für Unternehmen in mehrfacher Hinsicht als Herausforderung:

  • Wenn Unternehmen Arbeitsplätze nachhaltig und über die Krise hinaus sichern sollen, dann müssen sie zwingend ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit erhalten und heute in die Kompetenzen und Produkte für die Märkte von morgen investieren. Die Märkte von morgen werden sich an den international vereinbarten Klimazielen ausrichten. In der Krise mehren sich Forderungen aus Politik, Zivilgesellschaft und auch der Wirtschaft selbst, den Prozess in eine kohlenstofffreie Zukunft zu beschleunigen. Entsprechend wird auch verlangt, staatliche Unterstützungen für Unternehmen stärker von deren Beiträgen zum Klimaschutz abhängig zu machen.
  • Unternehmen sehen sich also folgendem Dilemma gegenüber: Aus Sicht der Bürger*innen sollen sie der Arbeitsplatzsicherung höchste Priorität einräumen, während von anderer Seite raschere und tiefgreifendere Veränderungen für mehr Klimaschutz eingefordert werden. Diese Veränderungen könnten kurzfristige Einschnitte erfordern, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern, wie die Beispiele aus der Automobil- und der Luftfahrtbranche zeigen.

Unternehmen sollen regionaler wirtschaften -
und müssen den Zugang zu internationalen Märkten erhalten
Eine weitere Herausforderung für Unternehmen im Umgang mit der Corona-Krise besteht in den Erwartungen einer stärker regionalen Ausrichtung von Wertschöpfungsketten. Eine deutliche Mehrheit der Befragten in der Studie (59%) ist der Meinung, Unternehmen sollten ihre Lieferketten als Reaktion auf die Corona-Pandemie stärker regional ausrichten. Nur rund ein Drittel der Menschen (34%) befürwortet die derzeitige internationale Vernetzung der deutschen Wirtschaft oder fordert eine stärkere Internationalisierung.

  • Internationaler Handel und arbeitsteilige Wertschöpfung verbinden Menschen und eröffnen wechselseitige Vorteile. Auch hierzulande beruht der Erfolg großer und mittelständischer Unternehmen maßgeblich auf ihrer internationalen Vernetzung. Gemäß verschiedenen Studien hängt ein Großteil heimischer Arbeitsplätze vom Außenhandel ab. Gerade bei nachhaltigen Innovationen (etwa im Bereich der Elektromobilität, bei erneuerbaren Energien oder digitalen Technologien) ist die deutsche Wirtschaft auch künftig auf den Zugang zu internationalen Beschaffungs- und Absatzmärkten angewiesen. Dabei wird von Unternehmen zunehmend erwartet, zur Verbesserung der lokalen Bedingungen beizutragen.
  • Auch hier sehen sich Unternehmen einem Dilemma gegenüber: Aus Sicht der Bürger*innen sollen sie ihre Lieferketten regionaler ausrichten, während sie für ihre Innovationsfähigkeit gleichzeitig den Zugang zu internationalen Märkten erhalten müssen. Dieser Zugang setzt oft aber auch ein lokales Engagement voraus. Hinzu kommt, dass ein vollständiger Rückzug aus manchen Regionen die Bedingungen der Menschen vor Ort mitunter verschlechtern könnte.

Die Umfrage macht die Diskrepanz zwischen den kurzfristigen Erwartungen an die Unternehmen und deren langfristigen Handlungsnotwendigkeiten deutlich. Für Unternehmen stellt sich die Frage: Wie lässt sich Akzeptanz für solche Maßnahmen schaffen, die zwar der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen dienen, von einer Mehrheit in der Bevölkerung jedoch kritisch gesehen wird? Die vorliegenden Ergebnisse sind der Auftakt zu einer umfassenderen Studie über die Wahrnehmung der Wirtschaft in der Corona-Krise, die das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik im ersten Quartal 2021 vorlegen wird.

Für Rückfragen:

Dr. Martin von Broock
Vorsitzender des Vorstands, Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik e.V. (WZGE)

0 34 91-50 79 110
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www.wcge.org

Anhang: Grafiken