Sein und Sollen in der Wirtschaftsethik: CfA

Die Konferenz wird vom 4. Oktober 2023 bis zum 5. Oktober 2023 in der Lutherstadt Wittenberg stattfinden. Darüber hinaus wird am 6. Oktober 2023 ein Satelliten-Workshop für Doktorand*innen angeboten.

Die Konferenz wird vom Wittenberg-Zentrum füür Globale Ethik (WZGE) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg organisiert. Sie findet anlässlich des 25-jährigen Bestehens des WZGE statt und ist die dritte ihrer Art: Die erste fand 2017 und die zweite 2019 statt. 2023 kehrt das Format zurück. 

Die Einreichungsfrist für die Konferenz ist der 10. Februar 2023, für den Doktorand*innen-Workshop ist es der 1. April 2023. Der vollständige CfA kann hier eingesehen werden.

Alle Einreichungen über diesen Link.

Keynote Speakers

Keynote 1:         Prof. Dr. Cristina Bicchieri, University of Pennsylvania

Keynote 2:         Prof. Dr. Sandro Ambühl, University of Zurich

Eingeladene Vortragende

Prof. Dr. Dirk Matten, Schulich School of Business, York University

Prof. Dr. Markus Beckmann, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Andreas Suchanek, HHL Leipzig Leipzig Graduate School of Management

Prof. Dr. Ingo Pies, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg

Young Faculty Meeting

Dr. Moritz Appels, Erasmus Universität Rotterdam

Dr. Julia Grimm, Stockholm University

Dr. Rebecca Ruehle, Vrije Universiteit Amsterdam

Dozent*innen für den Doktorand*innen-Workshop

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Thematischer Schwerpunkt der Konferenz

Forschung über Moral und Wirtschaft gibt es im Überfluss. In den letzten Jahrzehnten wurden faszinierende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie sich Individuen und Organisationen verhalten, und es wurden stichhaltige Argumente dafür geliefert, wie sie sich verhalten sollten. Mittlerweile wissen wir eine Menge über so unterschiedliche Themen und Theorien wie Kooperation (Chaudhuri 2011), Vertrauen (Berg et al. 1995), Fairness (Güth/ Kocher 2014), ethische Entscheidungsfindung (Bazerman/ Gino 2012; De Cremer/ Tenbrunsel 2012; Treviño et al. 2006), normative Wirtschaftsethik (Arnold et al. 2020; Brenkert/ Beauchamp 2010), normative Theorien des Unternehmens (Donaldson/ Walsh 2015; Elms et al. 2010; Pies et al. 2021) und ethikorientierte Führungstheorien (z.B. Brown/ Treviño/ Harrison 2005; Maak/ Pless 2005).

Es besteht jedoch nach wie vor eine große Kluft zwischen denjenigen, die primär empirisch, und denjenigen, die primär normativ arbeiten. Auf der einen Seite konzentrieren sich Wissenschaftler*innen vor allem in Bereichen wie Management, Verhaltensethik und Verhaltensökonomie auf die Analyse des SEINs von moralischen Urteilen und Verhaltensweisen, ohne sich mit den normativen Implikationen ihrer positiven Arbeit zu befassen. Auf der anderen Seite konzentrieren sich normative Wirtschaftsethiker*innen auf das SOLLEN von Urteilen und Verhalten, ohne die empirischen Einschränkungen auf individueller und kontextueller Ebene systematisch zu diskutieren.

Um Lösungen für die Herausforderungen der Wirtschaftsethik zu finden und ihre Fragen zu verstehen, sind zweifellos sowohl empirische als auch normative Ansätze erforderlich. Viele haben argumentiert, dass die beiden Bereiche einander brauchen und in einen echten Dialog treten sollten. Kurz gefasst, kann die positive Forschung allein keine normative Orientierung bieten, während normative Theoretiker*innen allein nicht in der Lage sind, das ethisch Wünschenswerte ohne Wissen über empirische Einschränkungen umzusetzen (Donaldson 1994, 2012; Dunfee/ Donaldson 2002; Güth/ Kliemt 2010; Schreck et al. 2013; Treviño/ Weaver 1994; Weaver/ Trevino 1994).

Unserer Ansicht nach sprechen positive und normative Wirtschaftsethiker*innen nicht so viel miteinander, wie sie könnten und sollten. Daher soll die interdisziplinäre Konferenz "The Is and Ought of Business Ethics: Empirical Evidence and Normative Arguments brought into Dialogue" eine Dialogplattform zwischen empirisch und normativ arbeitenden Wirtschaftsethiker*innen aus unterschiedlichen Disziplinen sein. Eingeladen sind Beiträge von der empirischen oder normativen Seite der Debatte, aus allen verwandten Disziplinen (Ökonomie, Management, Psychologie, Philosophie, etc.) und mit unterschiedlichem methodischen Hintergrund (Verhaltensexperimente, Umfragedaten, positive und normative Theorie, usw.). Alle Beiträge sollten die Grenzen ihres methodischen Ansatzes kritisch reflektieren, empirische und normative Erkenntnisse in einen Austausch bringen und/oder künftige gemeinsame Forschung zwischen empirischen und normativen Wirtschaftsethiker*innen skizzieren. Wir begrüßen daher jede Forschung, die geeignet ist, den Dialog zwischen empirischer und normativer Wirtschaftsethik voranzutreiben.

Vortragstehemen s können sich auf eines der drei übergreifenden Themegebiete beziehen, sind jedoch nicht hierauf beschränkt: 

1. Vom Ist zum Sollen

Die treibende Kraft bei experimentellen, qualitativen oder quantitativen Arbeiten im Bereich der Wirtschaftsethik besteht häufig darin, die Auswirkungen moralisch relevanter Maßnahmen zu testen oder Hürden und Grenzen zu ermitteln, die ein moralisch wünschenswertes Verhalten erschweren oder gar unmöglich machen. In einigen Fällen kann die empirische Arbeit jedoch einen noch größeren Einfluss auf die konzeptionelle Arbeit haben, auf der sie oft aufbaut: Sie kann die normative Grundlage, auf der sie beruht, erweitern oder kritisieren. Oder noch allgemeiner: Welche normativen oder konzeptionellen Implikationen lassen sich aus ihren empirischen Ergebnissen ableiten?

Bei diesem Thema interessiert uns, auf welche Weise empirische Arbeiten normative oder ethische Überlegungen beeinflussen können. Konkrete Beispiele, Studien oder Experimente sind sehr willkommen, um die Auswirkungen empirischer Erkenntnisse auf den normativen Bereich darzustellen und zu reflektieren.

2. Vom Sollen zum Sein

Philosoph*innen sehen sich oft mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Arbeit habe wenig Einfluss auf die reale Welt. Dieser Vorwurf trifft jedoch insbesondere auf die Wirtschaftsethik nicht zu: Sie ist in ihrem Kern praktisch orientiert. Die Frage ist also: Welche praktischen Implikationen lassen sich aus ihren konzeptionellen oder normativen Erkenntnissen ableiten?

Unter diesem Thema laden wir Beiträge ein, die aktiv über die praktischen Implikationen ihrer konzeptionellen oder normativen Arbeiten nachdenken. Dies kann sowohl Implikationen für Praktiker*innen im Feld, wie z.B. eine ethisch geleitete Politik, als auch für empirisch arbeitende Forscher*innen beinhalten. So sind beispielsweise Skizzen darüber, welche Arten von Daten von besonderer normativer Bedeutung sein können oder wie spezifische ethische Erkenntnisse künftige empirische Forschung beeinflussen sollten, sehr willkommen.

3. Methodische Überbrückung der Kluft

Sowohl die Verwendung empirischer Erkenntnisse in konzeptionellen Argumenten als auch die Erhebung von Daten aufgrund theoretischer Arbeiten sind sowohl in den konzeptionellen als auch in den empirischen Wissenschaften unabdingbar. Aber wie kann die eine Seite die andere am besten informieren?

Wir sind an Beispielen oder bewährten Verfahren interessiert, bei denen die in einem Bereich übliche Methodik in einem anderen Bereich angewandt wird oder bei denen konzeptionelle und empirische Arbeit eng zusammengeführt werden. Wann ist es besonders sinnvoll, qualitative oder quantitative Studien in konzeptionellen Bereichen anzuwenden? Wann sollten Empiriker*innen mit eher theoretischen Argumenten arbeiten? Wie kann man sicherstellen, dass eine Methode auch dann noch angemessen ist, wenn sie in einem anderen Bereich angewendet wird? Wie können Ergebnisse und Methoden so kommuniziert werden, dass sie für Forscher mit unterschiedlichem Hintergrund nützlich sind? Eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage, wie oder ob Methoden überhaupt gemischt werden sollten, ist ebenfalls sehr willkommen.

Vorträge zu diesem Thema können daher Untersuchungen zur (empirischen) Wirtschaftsethik aus wissenschaftsphilosophischer Sicht, Analysen, unter welchen Umständen empirische und normative Arbeiten gut zusammenarbeiten, Best-Practice-Beispiele, in denen interdisziplinäres Arbeiten Früchte getragen hat, sowie weitere, angrenzende Themen umfassen.

Wir lassen die inhaltlichen Vorschläge für die Vorträge bewusst sehr offen. Solange der Vortrag wirtschaftsethisch relevante Themen berührt, für empirisch und normativ arbeitende Wirtschaftsethiker*innen von Interesse sein kann und das Gespräch zwischen beiden Seiten anregt, ist er uns herzlich willkommen.

Schwerpunkt des Doktorand*innen-Satelliten-Workshops

Während des Workshops haben Doktorand*innen die Möglichkeit, ein Feedback zu einem (abgeschlossenen oder fast abgeschlossenen) Paper zu erhalten oder eine Forschungsidee im Frühstadium vorzustellen. Ziel ist es weniger, eine fertige Idee zu präsentieren, sondern von etablierten Professor*innen ein Feedback zu einem begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Projekt (Paper Development Session) oder zu einer Forschungsidee im Frühstadium (Research Idea Pitch) zu erhalten. Für die Paper Development Sessions werden kleine Gruppen gebildet und die zuvor eingereichten Papierentwürfe von den teilnehmenden Doktorand*innen und den*der leitenden Professor*in diskutiert. Bei den Research-Idea-Pitches sollen kurze Präsentationen über eine noch nicht begonnene oder in einem frühen Stadium befindliche Forschungsidee vorgestellt werden, um hierfür Feedback und Kommentar zu bekommen.

Doktorand*innen sind ausdrücklich dazu eingeladen, sich auch für die Sektionsvorträge der Hauptkonferenz zu bewerben.


Einreichungen für die Konferenz und den Workshop

Einreichungen sind für drei verschiedene Formate möglich. Die Kategorien 2 und 3 sind nur für Doktorand*innen zugänglich.

1. Sektionsvorträge (25 Minuten Vortrag, gefolgt von 15 Minuten Q&A)

Einreichung von Abstracts (600 Wörter): 10. Februar 2023

Benachrichtigung: 20. Februar 2023

Einreichung des vollständigen Papers (2750-3000 Wörter): 15. September 2023

2. Paper Development Workshop

Einreichung von Kurzfassungen (500 Wörter): 1. April 2023

Benachrichtigung: Ende April 2023

Einreichung des vollständigen Papers (etwa 7500 Wörter): 1. August 2023

3. Research Idea Pitch Workshop (10 Minuten Vortrag, gefolgt von 10 Minuten Q&A)

Einreichung von Abstracts (300 Wörter): 1. April 2023

Benachrichtigung: Ende April 2023

Einreichung des langen Abstracts (1000 Wörter): 1. August 2023


Alle Einreichungen über diesen Link.


Kontakt

Wenn Sie Fragen zur Konferenz oder zum Doktorand*innen-Workshop haben, können Sie uns gerne kontaktieren: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Organisationsteam

Prof. Dr. Philipp Schreck, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

PD Dr. Lisa Schmalzried, Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik

Cassandra Grützner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Doktorandenkolleg “Ethik und gute Unternehmensführung“

Oleg Fedoseev, HHL Leipzig Graduate School of Management und Doktorandenkolleg “Ethik und gute Unternehmensführung“

 

Zitierte Literatur

Arnold, Denis G./ Beauchamp, Tom L./ Bowie, Norman E. (2020): Ethical Theory and Business, 10. ed., (Prentice Hall) 2020.

Bazerman, Max H./ Gino, Francesca (2012): Behavioral Ethics: Toward a Deeper Understanding of Moral Judgment and Dishonesty, in: Annual Review of Law and Social Science 8 (1), pp. 85-104.

Berg, Joyce/ Dickhaut, John/ McCabe, Kevin (1995): Trust, Reciprocity, and Social History, in: Games and economic behavior 10 (1), pp. 122-142.

Brenkert, George G./ Beauchamp, Tom L. (Eds., 2010): The Oxford Handbook of Business Ethics, Oxford (Oxford University Press) 2010.

Brown, Michael E. / Treviño, Linda K. / Harrison, David A. (2005): Ethical leadership: A social learning perspective for construct development and testing, in: Organizational Behavior and Human Decision Processes 97, pp. 117-134.

Chaudhuri, Ananish (2011): Sustaining Cooperation in Laboratory Public Goods Experiments: A Selective Survey of the Literature, in: Experimental Economics 14 (1), pp. 47-83.

De Cremer, David/ Tenbrunsel, Ann E. (2012): Behavioral Business Ethics: Shaping an Emerging Field, London (Routledge) 2012.

Donaldson, Thomas (1994): When Integration Fails: The Logic of Prescription and Description in Business Ethics, in: Business Ethics Quarterly 4 (2), pp. 157-169.

Donaldson, Thomas (2012): The Epistemic Fault Line in Corporate Governance, in: Academy of Management Review 37 (2), pp. 256–271.

Donaldson, Thomas/ Walsh, James P. (2015): Toward a Theory of Business, in: Research in Organizational Behavior 35, pp. 181-207.

Dunfee, Thomas W./ Donaldson, Thomas (2002): Social Contract Approaches to Business Ethics: Bridging the 'Is-Ought' Gap, in: Frederick, Robert A. (Ed., 2002): A Companion to Business Ethics, Oxford (Blackwell) 2002, pp. 38-55.

Elms, Heather/ Brammer, Stephen/ Harris, Jared D./ et al. (2010): New Directions in Strategic Management and Business Ethics, in: Business Ethics Quarterly 20 (3), pp. 401-425.

Güth, Werner/ Kliemt, Hartmut (2010): What Ethics Can Learn from Experimental Economics — If Anything, in: European Journal of Political Economy 26 (3), pp. 302-310.

Güth, Werner/ Kocher, Martin G. (2014): More Than Thirty Years of Ultimatum Bargaining Experiments: Motives, Variations, and a Survey of the Recent Literature, in: Journal of Economic Behavior & Organization 108, pp. 396-409.

Maak,Thomas / Pless,Nicola M. (2005): Responsible Leadership in a Stakeholder Society: A Relational Perspective, in: Journal of Business Ethics 66, pp. 99-115.

Pies, Ingo/ Schreck, Philipp/ Homann, Karl (2021): Single-Objective V. Multi-Objective Theories of the Firm: Using a Constitutional Perspective to Resolve an Old Debate, in: Review of Managerial Science 15 (3), pp. 779-811.

Schreck, Philipp/ Aaken, Dominik van/ Donaldson, Thomas (2013): Positive Economics and the Normativistic Fallacy: Bridging the Two Sides of Csr, in: Business Ethics Quarterly 23 (2), pp. 297-329.

Treviño, Linda Klebe/ Weaver, Gary R. (1994): Business Ethics/Business Ethics: One Field or Two?, in: Business Ethics Quarterly 4 (2), pp. 113-128.

Treviño, Linda Klebe/ Weaver, Gary R./ Reynolds, Scott J. (2006): Behavioral Ethics in Organizations: A Review, in: Journal of Management 32 (6), pp. 951-990.

Weaver, Gary R./ Trevino, Linda Klebe (1994): Normative and Empirical Business Ethics: Separation, Marriage of Convenience, or Marriage of Necessity?, in: Business Ethics Quarterly 4 (2), pp. 129-143.