Datenteilen für die Energiewende: Wie Unternehmen Vertrauen beeinflussen

Unsere Studie vermittelt praktische Orientierungen auf der Basis einer mehrstufigen Analyse. Zentrale Erkenntnis: Unternehmen vergeben bislang Chancen.

 

Ob intelligentes Lastenmanagement, dynamische Stromtarife oder Bürgerenergie: Ein zukunftsfähiges Energiesystem braucht mehr Daten und intelligente digitale Technologien. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und im Januar einen „Neustart für die digitale Energiewende“ beschlossen. Damit soll der stockende Smart-Meter-Rollout endlich Fahrt aufnehmen.

Hierfür müssen indes nicht nur technische, ökonomische oder rechtliche Probleme gelöst werden. Es geht auch um die Klärung ethischer Fragen. Denn: Auch beim Datenteilen im Energiesektor kollidieren Forderungen nach einem gemeinwohldienlicheren Strommanagement mit individuellen Ansprüchen nach informationeller Selbstbestimmung. Dabei geht es vor allem um künftige Teilhabemöglichkeiten und die faire Verteilung der Mehrwerte datenbasierter Lösungen. Je größer dabei die Ungewissheiten, umso wichtiger wird der Faktor Vertrauen. Je geringer das Vertrauen, umso langsamer die Fortschritte.

In unserem Projekt „Ethische Herausforderungen der digitalen Energiewende“ haben wir uns deshalb der Frage gewidmet: Wie können Unternehmen als mitgestaltende Akteure das Vertrauen in geteilte Daten durch gezielte Investitionen fördern? In einem mehrstufigen Studiendesign mit Expert*innen-Gesprächen, Stakeholder-Interviews-, repräsentativer Befragung und europäischer Best-Practice-Studie haben wir praxisnahe Orientierungen herausgearbeitet.

Die gesammelten Ergebnisse unseres dreijährigen Projekts haben wir nun in der Studie "Ethische Herausforderungen der digitalen Energiewende. Die Verantwortung der Unternehmen" (Download) veröffentlicht. Die Management Summary:

(1) Status der digitalen Energiewende: (K)ein Vertrauensprojekt?!

Grundsätzlich erkennen die Menschen in Deutschland zunehmend die gesellschaftlichen Chancen einer umfassenderen intelligenten Datenverarbeitung. Zugleich spricht sich eine große Mehrheit für selbstbestimmtes Datenteilen und gegen verpflichtende Maßnahmen aus. Mit Blick auf die Energiewende wird dem Thema bislang eine eher nachgeordnete Bedeutung zugemessen. Damit einher geht ein gering ausgeprägtes Wissen über digitale Potenziale im Energiebereich. Im Klartext: Die Menschen sind noch nicht hinreichend für das Thema digitale Energiewende aktiviert. Dementsprechend laufen allgemeine Vertrauensappelle ins Leere. Stattdessen stellt sich die Frage: Wer kann die Menschen wie für das Thema gewinnen?

(2) Vertrauen braucht Adressaten: Unternehmen als Change Agents

Unbestritten setzt ein zunehmend digitales Energiesystem einen verlässlichen Rechtrahmen voraus, der vom Gesetzgeber zu schaffen ist. Entscheidend ist aber ebenso: Wer wird innerhalb dieses Rahmens – und vor allem auf dem Weg dorthin – von den Menschen als vertrauensstiftend wahrgenommen? Unsere Befunde zeigen: Bei ihrer Bereitschaft zum Datenteilen orientieren sich die Menschen eher an unternehmerischen Selbstbindungen als an Datentreuhändern oder Gütesiegeln. Für die Vertrauensbildung spielen also weniger unabhängige Dritte, sondern vor allem die Unternehmen als direkte Interaktionspartner die entscheidende Rolle. Auch die befragten Expert*innen betonen die unternehmerische Mit-Verantwortung in der digitalen Energietransformation. Insofern stellt sich die Frage, wie die Unternehmen das ihnen zugeschriebene Potenzial vertrauensbildend und im Eigeninteresse besserer Fortschritte in der digitalen Energiewende nutzen können.

(3) Vertrauen setzt Angebote voraus: Bessere Narrative entwickeln

Unsere Auswertungen zeigen: Wer die Menschen für das Teilen von Energiedaten gewinnen will, muss zuvorderst den persönlichen Alltagsnutzen sichtbar machen. Erst in Verbindung damit können auch Gemeinwohlaspekte als zusätzliche motivationale Faktoren Wirkung entfalten. Moralische Appelle allein, etwa der Verweis auf höhere gesellschaftliche Ziele wie Klimaschutz oder Versorgungssicherheit, bewirken dagegen wenig. Vertrauensbildende Narrative müssen daher der geforderten Bereitschaft zum Datenteilen eine faire Beteiligung an der Wertschöpfung genutzter Daten (Stichwort „Datenrente“) gegenüberstellen. Wie sich persönliche Vorteile und Gemeinwohlbeiträge beim Datenteilen besser zusammenführen lassen, zeigt etwa die gemeinsam von Unternehmen und Verbraucher*innenverbände getragene Informationskampagne zum Smart-Meter-Rollout in Großbritannien.

(4) Vertrauen beruht auf Nicht-Schädigung: Selbstbindungen anbieten

Menschen wollen sich außerdem hinreichend darauf verlassen können, durch geteilte Daten nicht geschädigt zu werden. Fehlt dieses Zutrauen in datenverwertende Unternehmen, werden Nutzenversprechen gegebenenfalls überhaupt nicht wahr- oder ernst genommen. Gerade weil aber die Mehrwerte digitaler Innovationen im Energiesektor (noch) überschaubar sind, kommt der Vermeidung von Schädigungen eine besondere Bedeutung zu. Gemäß unseren Auswertungen sind die wichtigsten Ansatzpunkte für vertrauensbildende Selbstbindungen: 

  • Datensicherheit: Energieversorgung als „kritische Infrastruktur“ ist für die Menschen ein besonders sensibler und damit schützenswerter Bereich. Umso höhere Anstrengungen werden von Unternehmen für die Prävention vor Datenmissbrauch durch Dritte erwartet.
  • Zweckbindung: Auch von einer möglichen Datenübernutzung durch Energieunternehmen selbst, z. B. durch illegitime Profilings oder gezielte Weitergabe zum Zwecke höherer Profite, gehen Vertrauensrisiken aus. Umso wichtiger sind nachvollziehbare unternehmerische Selbstbindungen an vereinbarte Zwecke.
  • Transparenz: Datenteilende müssen eine informierte Entscheidung treffen können, ob Energieunternehmen diesen Vertrauenserwartungen gerecht werden. Dafür sollten Unternehmen über formal-juristische Anforderungen hinaus einfach und verständlich erklären, wie sie die Daten ihrer Kund*innen nutzen. Ethische Leitlinien, die generelle Prinzipien der Datenverantwortung explizieren, können zusätzliches Vertrauen schaffen.
  • Datensouveränität: Datenteilende sollten den Vertrauensumfang selbst bestimmen können und müssen im Falle einer Schädigung stets die Möglichkeit haben, Datenverwertenden ihr Vertrauen wieder entziehen zu können. Statt „take-it-or-leave-it“-Alternativen sollten Energieunternehmen ihren Kund*innen daher Optionen anbieten, mit denen sie selbst bestimmen können, in welchem Umfang und welcher Tiefe sie ihre Daten teilen möchten. Die Privacy-by-Design-Ansätze des niederländischen und britischen Smart-Meter-Rollouts bieten dafür instruktive Orientierungen.

(5) Vertrauen verlangt Kompetenz – Befähigung unterstützen

Ohne hinreichende Kenntnisse können die Menschen weder den potenziellen Nutzen noch mögliche Schädigungen durch geteilte Energiedaten abschätzen. Die in Deutschland nach wie vor eher geringen Kenntnisse über die digitale Energiewende und ihre Relevanz erschweren den Aufbau von Vertrauen. Wie der Smart-Meter-Rollout in Schweden zeigt, reicht das bloße „Bereitstellen“ von digitalen Innovationen daher nicht aus. Demgegenüber zeigt die erfolgreiche Informationskampagne in Großbritannien, welchen Unterschied Investitionen in bessere Aufklärung machen. Entscheidend dabei: Statt einer „one-size-fits-all“- Lösung wurden die Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenswelten unterschiedlich adressiert: durch differenzierte Informationsangebote, Produkte und Services. Die Einbeziehung sozialer Organisationen gewährleistete, dass dabei auch die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen berücksichtigt wurden. Die zentrale Rolle in der Befähigung der Menschen kommt aber den Energieunternehmen zu: Sie haben die Nähe zu den Verbraucher*innen, ihnen wird Kompetenz zugeschrieben und sie gestalten unmittelbar den Nutzen digitaler Angebote.